Hallo ihr Sauerkräute,
ich bin gerade auf einer langen Busfahrt gen Norden und habe jede Menge Zeit von meiner Ankunft in Bangkok zu
berichten, wenn ich nicht gerade durch die große gesprungene Scheibe die Landschaft Nordthailands betrachte. Jede Menge Zeit werde ich auch brauchen, denn was ich in Bangkok erlebt habe (speziell
meine Ankunft) lässt sich nicht mit wenigen Sätzen vermitteln.
Mir stand also schon wieder so ein doofer Flug bevor. Im Duty-Free in Abu Dhabi hatte ich mir eine Flasche Vodka
und Fruchtnektar zu einer ziemlich üblen Mischung in meine Trinkflasche gekippt und war um 7 Uhr morgens am Gate fleißig damit beschäftigt sie zu leeren. Die Strategie ging auch zunächst auf,
doch während der letzten Flugstunde und bei der Landung ist mir dann vor Erschöpfung, Alkohol und dem Flug dermaßen schlecht geworden, dass ich nur noch kreidebleich meinen Kopf an die Sitzlehne
des Vordermanns gekachelt vor mich hin vegetierte. Der Bordcrew wurde also nicht langweilig, aber die Kotztüte muss bis heute auf ihren Einsatz warten.
Da stand ich nun, mal wieder total zerstört, vor dem Flughafen in Bangkok und hatte keine Ahnung was ich tun
sollte. Eigentlich wollte ich mich die letzten Tage vor dem Abflug mit Bangkok beschäftigen, doch am Ende war alles zu stressig und ich überhaupt nicht vorbereitet. Es war bereits stockfinster
und die schwüle Luft einer der feuchtesten Monate hier schlug mir auf die müden Knochen. Ich stand an einem der vielen kleinen Ausgänge des Flughafens direkt vor einer Art Autobahn und fühlte
mich so elendig und hilflos wie selten zuvor. Das Hab und Gut für die nächsten Monate an mir hängend sah ich lediglich ein paar Autos und fremde, wild gestikulierende Einheimische. Von meinem
alten Leben irgendwie komplett abgeschnitten ging ich erstmal zurück in den Flughafen und setzte mich auf den Boden. Was nun? Ich lief ziellos den Gang entlang und hielt Ausschau nach anderen
Backpackern. Schließlich traf ich Merlin und Olivia aus Berlin, und wir entschieden uns zusammen ein Taxi in die Stadt zu nehmen. Das Pärchen (29 und 34) hatte die Adresse irgendeines Hostels,
wussten aber auch nicht genau wo in dieser 8-Millionen-Stadt es liegt und wie weit es entfernt ist.
Das "Polizeiauto" |
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Verkehr in Bangkok |
Wir entscheiden uns für das mit 600 Baht günstigste pinke Taxi und der Thai wirft unsere Rucksäcke in den Kofferraum, der aber nicht zugeht. Er springt ein paar Mal wild darauf herum, hat aber keinen Erfolg und will mit offenem Kofferraum losfahren, all unsere existenziell wichtigen Gegenstände wie auf dem Präsentierteller. Kurz sprachlos wollen wir uns beschweren, da ist er schon dabei das Gefährt im Gegenverkehr zu wenden und irgendwie in Richtung noch mehr Verkehr zu manövrieren. Es gibt keine Gurte und die Türen sind von innen nicht zu öffnen. Wir fahren auf den Highway und halten wenig später auf dem Standstreifen, der seinen Namen in Thailand offenbar nicht verdient hat. Total perplex schauen wir den aussteigenden Thai an, da sehen wir hinter uns einen Polizeiwagen mit Blaulicht. Der Thai und der Polizist beginnen, unser Gepäck in den Polizeiwagen zu werfen und wir steigen hektisch aus – mitten auf dem Highway. Offenbar soll die Polizei uns jetzt ans Ziel bringen. Es gibt eine wilde Diskussion, da er offenbar keine Ahnung hat wo wir hinwollen und der Thai Geld verlangt, was wir natürlich erst wie vereinbart bei Ankunft am Hostel zahlen wollen. Die beiden Fahrer streiten sich einige Minuten auf thailändisch, Scheine wechseln den Besitzer und beide machen Anstalten wieder einzusteigen. Ich setze mich also in das blauweiße Auto, welches immernoch Blaulicht anhatte - hauptsache bei meinen Sachen bleiben. Ich vergewissere mich, dass der Kofferraum zu ist und sehe einen großen Heckspoiler, als der Wagen mit einem lauten Brüllen anspringt. Im Innenraum ist neben zig LED-Leuchten, einem Drehzahlmesser bis 12.000 Umdrehungen und seperater Ladedruckanzeige auch ein Taxometer zu sehen. Es ist also doch kein Polizeiwagen sondern ein total verbasteltes offizielles Taxi, was die Gäste von den Betrügern am Flughafen übernehmen muss, da diese sich nicht ohne Lizenz in die Innenstadt trauen. Auf unnötiges Gewicht wie Kopfstützen, Airbags oder Gurte wurde natürlich dennoch verzichtet. Macht aber nichts, der Fahrer weiß ja was er tut. In Bangkok herrscht ganz grob Linksverkehr, Linien oder Schilder sind aber bestenfalls als Empfehlung zu sehen. Dazu eine Prise Rennfahrermentalität und die Erkenntnis, dass man beim Festpreis mehr verdient wenn der Kunde schneller am Ziel ist, und man wird Zeuge einer Anti-Fahrstunde wie aus dem nicht vorhandenen Lehrbuch. Ich kann mich nicht entscheiden ob ich fasziniert sein soll oder einfach nur nach Hause will.
Typischer Verkaufsstand Montag früh |
Die Entscheidung fiel jedoch leichter, je weiter wir uns unserem Hostel näherten. Sätze wie „Alter, ist das
krass“ und „Was geht denn hier ab“ hallen durch die Fahrerkabine, als mir ein Sabbertropfen aus dem staunend offenen Mund entflieht. Ich hatte schon einige Berichte gelesen und Bilder gesehen,
doch was dort auf der Straße abgeht muss man anscheinend selbst gesehen haben. Es war Sonntag Abend, und die Straße war voll von Menschen, überall wirrer Verkehr, bunte Lichter, Musik, Stände,
Garküchen und noch mehr Menschen. Ich kann es so oder so nicht authentisch beschreiben, jedoch aber wie ich mich gefühlt habe: Wie frische Beute, die gerade in einen Ameisenbau geschleppt wird.
Wir fanden schließlich das Hostel hinter diversen Pflanzen und Teichen in einer Nebenstraße und konnten auch spontan einchecken. Weit entfernt von der berühmten Khao San Road, zu der ich wohl
gefahren wäre wenn ich Oli und Hocker nicht getroffen hätte, tauften wir dieses geniale Backpackerhotel „Oase im Chaos“.
Rezeption vom Suk11 |
Mein Zimmer war die Treppe hoch |
Strom gabs nur mit Mühe |
Diese Stadt ist einfach irre. Dreckig und chaotisch, hektisch und gefährlich zugleich. Trotzdem irgendwie offenherzig, gemütlich und unkompliziert. Bangkok polarisiert, jeder ist zu Beginn wahrscheinlich abgeschreckt. Wenn man aber über die Straßen läuft, erfährt man hautnah das pure Leben, da einfach alles auf der Straße stattfindet. Eine alte, faltige Thaifrau brät undefinierbare Speisen auf offener Flamme neben zwei Ladyboys, die sich an einem unverzichtbaren Strommast, der halb auf der Straße steht räkeln. Ein kleines Mädchen rennt vorbei und hängt sich mit aller Kraft an den Arm eines Touristen, und bringt das erbettelte Geld zu ihrem beinlosen Vater, der ein paar Meter weiter mitten auf dem Gehweg schläft. Neben ihm steht ein Straßenstand, wo nützliche Dinge wie Wackelbuddhas, Opium und Schlagringe mit Batmanlogo verkauft werden. Zahllose Bars und Lokale verschiedenster Art, wohin man auch schaut. Und schon wieder hält ein tief blubberndes, hupendes Tuktuk, dessen Fahrer lauthals auf sich aufmerksam macht. Eine Mischung aus hunderten Gerüchen, Geräuschen und Bildern überfordert die Synapsen – Ich liebe es.
Unterwegs im Wassertaxi |
Am nächsten Tag bin ich mit Oli und Hocker nach einem traditionellen Frühstück auf kniehohen Tischen zum Fluss
geskyrailt und per Wasserbus gen Norden gefahren. Der Fahrer sitzt ganz vorne im Boot und bekommt durch verschiedene ohrenbetäubende Pfeiftöne seines Schiffjungen mitgeteilt, wie er es zu steuern
hat. Abgase werden mit Hochdruck in den Fluss gepustet, sodass sich eine Wolke aus schwarzen Wassertropfen auf alles Zurückgelassene legt. Wir schauten uns einige Attraktionen an, doch meiner
Meinung nach können ein goldener Buddha und prachtvolle Tempel nicht mit der eigentlichen Attraktion, nämlich das vorhin beschriebene Treiben auf den Straßen mithalten.
Unser VIP-Abzocktuktuk |
Kulturgedöns muss auch mal sein |
Wir sind später einem bemerkenswert gut organisierten Abzockerring näher gekommen. Ein Thai sah uns mit dem
Stadtplan auf der Straße und gab uns Tipps, zeichnete etwas in den Plan und hielt ein Tuktuk für uns an. Es sei gerade Big Buddha Day und da gibt es viele Geheimtipps für Touristen. Soweit so
gut, wir hielten bei Tempeln und sollten für Health und Money beten. Irgendwann kam uns scheinbar zufällig ein Geschäftsmann entgegen und erzählte uns zugegebenermaßen wirklich glaubhaft (Er
macht das wohl schon etwas länger) die absurde Geschichte, dass bei den Festtagen Rubinschmuck ohne die sonst üblichen 195% Steuern zu kaufen wären, und man diese im Ausland locker für das
Doppelte wieder loswird. So absurd sich die Sache jetzt anhört, bei der Professionalität wundert es mich nicht, dass so viele Leute darauf reinfallen und mal eben bunten Kies im Blechmantel für
einen Betrag kaufen, der in Thailand einem Lottogewinn gleichkommt. Der nette Mann kannte sich in Deutschland aus und unterhielt sich mit Merlin über deutschen Fussball. Die ganze Geschichte
würde diesen Blogeintrag entgültig sprengen, unser Tuktukfahrer fuhr uns letztendlich an Orte wo wir nicht hinwollten, ich lief mein Schwingmesser in der Hosentasche fest umklammert durch dubiose
Fabrikhallen, musste viel diskutieren und zwischendurch auch mal laut werden. Man muss also höllisch aufpassen und kann vielen Leuten leider nicht trauen. Nette Menschen erzählen einem zum
Beispiel, der Tempel wo man hin möchte sei geschlossen, um dich für anderweitige gewinnorientierte Interaktionen verfügbar zu halten. Tuktuk fahren an sich ist eh so eine Sache, es ist wie
besagtes Taxifahren nur eben in einer Blechschachtel die nochmals mehrfach unsicherer ist als ein Moped. Unsicherer von A nach B kommt man wahrscheinlich nur in Indien. Ich finde man sollte es
einmal gemacht haben um zu wissen wie es ist, dann aber doch lieber auf andere Transportmethoden zurückgreifen.
Mein erster Lachflash |
Khao San Road |
Ganghöhe ca. 1,40m |
Gestern Abend war ich mit Ting aus Taiwan unterwegs, wir gingen günstig seine landestypischen Speisen probieren und tranken uns von einer coolen Bar zur Anderen. Bei „cheap charlie“, meiner Lieblingsbar in der nähe des Hostels, muss man erst eine Lücke im endlosen Sammelsurium von Krimskrams finden, um überhaupt mit der Thekenkraft kommunizieren zu können. Später waren wir noch in einer Gogobar und wurden dort rausgeworfen, weil wir keine persönliche „Lady“ bei uns sitzen haben wollten, um diese fleißig mit „Ladydrinks“ zu versorgen. Draußen kneifen uns dauernd Frauen im vorbeigehen in den Bauch um Interesse zu signalisieren, eine hat mir sogar woanders hingelangt. Wir spielen noch traditionelle Glücksspiele mit Thais und Ting schenkt mir Karten von Thailand und Chiang Mai. Ich mache die Nacht durch, da ich heute früh um 5 bereits zu meiner großen Tour aufgebrochen bin. Dubai war beeindruckend, aber noch irgendwie mit europäischen Großstädten halbwegs vergleichbar – Bangkok hingegen ist eine völlig andere Welt.
Mit Ting und Changbeer bei Cheap Charly - Schild leider verdeckt: "onley pee donot shit!!" |
Jetzt habe ich mal wieder einen endlosen Text zu nur 2-3 Tagen der Reise geschrieben, und dabei sogar noch eine
Menge ausgelassen. Es ist eine nicht enden wollende Flut aus Impressionen aller Art, die auf einen prasseln und es ist schwer, das zu vermitteln. Ich hoffe ihr habt Freude an meinem Geschreibsel,
fände es auch toll wenn ihr Verbesserungsvorschläge oder Fragen habt, mir sagt was ihr gut fandet und was nicht, und was euch vielleicht noch interessiert. Herzlichen Dank auch für die vielen
lieben Emails und Nachrichten! Bitte habt Verständnis das eine Antwort etwas dauern kann. Alleine die Tatsache, dass man so lange von allen Menschen weg ist die einem etwas bedeuten, und wie ich
und sie damit umgehen zeigt mir schon viele neue Erkenntnisse auf. Und der Rückhalt in der Form, wie ich ihn im Moment von allen Seiten bekomme und nicht erwartet habe bedeutet mir sehr viel.
Danke! Macht es gut und baut nen Schneemann für mich mit,
Florian
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Nico (Donnerstag, 16 April 2015 22:35)
Servus nach Asien!
Lena und ich sind auf jeden Fall schon Fans von deinem Blog und auch wenn es viel zu lesen ist, darf es nicht kürzer sein/werden. Schreib einfach so weiter, damit wir uns auch mal beim Lesen beömmeln können.
Und zu Bankok fällt mir nur eins ein: ONG BAK!!! Da wird ja gezeigt, was für eine Mafia hinter den "VIP-Abzocktuktuks" steckt, aber auch, wie wendig die Teile sein können.
Lass dich nicht klauen und berichte fleißig weiter...
Liebe Grüße aus Hamm!
Schniggo und Leni
P.S. im Gegensatz zu dir liebe ich das Fliegen (im besonderen den Start). Beim Rückflug aus Ägypten letztes Jahr war ich bei der Abfahrt vom Hotel kurz vorm Kotzen. Also was völlig zerstörtes und verkartertes Fliegen angeht, kann ich mit dir fühlen... Und nach Taxifahrten in chipgetunten Rennwagen in Bankok, wird dich ein bissl Abstand zum Boden nicht mehr beeindrucken können.