Inselleben

Wasser von allen Seiten
Wasser von allen Seiten

Ein Sturm zieht auf, und die Bordcrew verteilt kleine, schwarze Kotztüten an alle Reisenden. Der Hochgeschwindigkeits- Katamaran muss sich ein wenig zurückhalten, da er schon bei halber Fahrt den beachtlichen Seegang als Rampe nutzt, um mit einem lauten Knall wieder in den Golf von Thailand zu stürzen. Das dadurch entstehende, meterhohe Spritzwasser nimmt mir alle paar Sekunden die Sicht bei Sonnenaufgang auf die ersten kleineren Inseln, die jedoch schon wenig später von der großen schwarzen Wolkenwand verschlungen werden. Die Wassermassen spielen Boccia mit dem gewaltigen Schiff, und es zieht auch ein wenig in den eigenen Murmeln. Erst jetzt wird mir klar, woher die Schiffsschaukel ihren Namen hat, denn es fühlt sich wirklich genauso an.

Ich genieße dennoch die Fahrt nach Koh Tao, wo ich schließlich im strömenden Regen ankomme. Na klasse, perfektes Wetter für drei Tage Inselerholung. Ich bin hier her gekommen, weil ich unterwegs immer wieder Leute getroffen hatte, die mir die Insel empfohlen haben.Über Koh Tao habe ich lediglich einen Schmierzettel von Leeni, die mir an unserem letzten Tag in Bangkok auf einer Skizze empfehlenswerte Orte markiert hatte. Ich teile mir die offene Ladefläche eines Pickups mit einem Ehepaar aus Polen, die sich meinem Plan, im ruhigeren Süden einen Bungalow zu mieten spontan anschlossen. Mit Mühe bewahre ich meinen Rucksack mit den elektronischen Geräten vor dem Tropensturm. Es ist zudem Flut, und der Weg zur Bungalowanlage führt mehrfach durch das Meer, über Stege, am Strand entlang, über ein Schiff, durch zwei Tauschschulen, ein Restaurant und schließlich eine Treppe hoch , die momentan aber eher ein Fluss ist. Ich hänge die nassen Sachen auf und lege mich auf das gemütliche Bett mit Meerblick. Hoffentlich wird das Wetter besser.


welcome sign
Das wurde es tatsächlich, und ich hatte drei nicht wirklich erholsame, aber umso spaßigere Tage und Nächte auf der Insel. Ich lieh mir für die Zeit einen Roller, der mit Offroad-Reifen und brutaler Übersetzung zum Anfahren ausgestattet war. Das war auch nötig, denn die katastrophale Straße zur Bungalowanlage stellte sich als die einzige Hauptstraße Koh Taos heraus. All die Straßen zu den Stränden, Buchten und Aussichtspunkten waren steil, kurvig und teilweise wirklich fordernd. Richtig spaßig wurde es, als ich eine auf der Karte gestrichelt dargestellte Strecke nehmen wollte. Als geübter Rollerfahrer kann man ja mal probieren wie weit man kommt und notfalls umkehren – dachte ich zumindest. Irgendwann kam nämlich die Maschine an ihre Grenzen und es kostete mich eine halbe Stunde, sie im steilen und total zerfurchten Waldweg zu wenden und irgendwie wieder zurück zur „Straße“ zu kriegen. Ich fand einen anderen Weg, der nicht auf der Karte eingezeichnet war. Nach einem recht steilen Stück kam ein Schild mit Totenkopf, der leuchtend rote Augen hatte: „DEAD END“. Danach wurde der Weg so steil, dass ich mehr am Roller hing, als das ich darauf saß. Kurzum, Rollerfahren auf Koh Tao ist extrem spaßig. Ungeübten Fahrern würde ich jedoch eher ein leider deutlich teureres Quadbike empfehlen, da man schließlich ohne Helm oder Versicherung (gibt es Beides grundsätzlich nicht) auf abenteuerlichen Pfaden unterwegs ist.

Dave kurz vorm Scheitern
Ich traf den 30-Jährigen Dave aus Amerika, der orientierungslos mit der Inselkarte am Wegesrand stand. Das war kein seltenes Bild, denn auf Koh Tao gibt es in etwa so viele Schilder wie es in Deutschland Straßen ohne Schilder gibt. Können wir denen nicht einfach ein paar abgeben? Dave und ich fuhren gemeinsam weiter und besuchten einige Aussichtspunkte, die teilweise nur mittels einer Strickleiter erreichbar waren. An einem steilen Stück bergab verbremste er sich ein wenig und der Großteil seines linken großen Zehnagels stand seitlich heraus. Ich brachte ihn zu einer Apotheke, die ich aus dem Augenwinkel an der Hauptstraße in Erinnerung hatte. Abends gingen wir zusammen mit Danielle aus Schweden essen, die er am Vortag kennengelernt hatte. Das liebe ich am alleine-spontan-durch-die-Welt-Reisen – den Zufall. Man könnte dieselbe Tour wohl hunderte Male machen und sie wäre doch jedes Mal anders, da man immer wieder andere Leute kennenlernt und andere Sachen macht. Der Determinismus wird harten Prüfungen unterzogen und es zeigt sich immer und immer wieder, dass es die absolut richtige Entscheidung war, die Reise alleine und ohne konkreten Plan anzutreten.

Ich im "ring of fire"
omafreundliches Partybild
Abends erwacht die Insel, und auch wenn deutlich weniger „Party“ im Mittelpunkt steht als auf den Nachbarinseln kann man am nordöstlichen Sairee Beach richtig gut feiern gehen. Gemütliche Clubs und Bars direkt am Strand, geniale Feuershows und fröhliche Menschen aus allen Ecken des Planeten bilden die Grundlage für unvergessliche Nächte, von denen ich so Einiges lieber nicht im Blog erwähnen sollte. Blogtauglich ist jedoch die Geschichte von Scooterdog, den Dave und ich am ersten Abend getroffen haben. Der Straßenhund hat sich immer stumpf in den Fussraum von unseren Rollern gestellt und wollte durch die Gegend gefahren werden, was einfach urkomisch ausgesehen hat.


Der Weg zur Bucht


Mango Bay


Am letzten Tag wollte ich zur Mango Bay fahren, einer abgelegenen Bucht ganz im Norden der Insel. Ich bin schließlich auf turtle island und war noch nicht Einmal richtig schwimmen und schnorcheln. Mir kamen zwei Dirtbike-Fahrer entgegen, die mir empfahlen umzukehren, da die Straße nicht passierbar sei. Nix da, ich will zur Mango Bay! Irgendwann fehlte jedoch tatsächlich ein Stück der Straße, und etwa zwei Meter tiefe, ausgewaschene Rillen erschwerten das Vorankommen. Ich kam gut hinab, wusste aber noch nicht ob ich es auf dem Rückweg vielleicht bereuen würde. Am Ende der Straße parkte ich meinen Roller als einziges Fahrzeug dort und ging die unzähligen Stufen zum Strand hinab. Ich erreichte ein kleines Holzhaus, und eine Frau erklärte mir der Weg zur Mango Bay führe über die Felsen und sei sehr gefährlich, weshalb eigentlich alle Leute die Bucht mit einem Schiff besuchen würden. Der Weg über die gigantischen Steinbrocken war tatsächlich nicht ohne. Teilweise musste ich mich durch enge Spalten quetschen, über kleine Schluchten springen oder mich seitlich vorwärts hangeln. Mit Flipflops und allen elektronischen Geräten auf dem Rücken war das eine besondere Herausforderung, und als ich nassgeschwitzt den herrlichen Strand erreichte stürzte ich mich sofort in das klare Wasser. Eine Gruppe Neuseeländer, die eine Bootstour hier her gebucht hatten konnte sich nicht erklären, wo ich hergekommen bin. Ich lieh mir von ihnen ein Schnorchelset und schwamm in den dafür vorgesehenen Bereich, wo mir viele bunte Fische aller Art teilweise die Sicht nahmen. Ein türkisgrüner, etwa 10cm langer Fisch war besonders neugierig und folgte meinem Zeigefinger fast bis ans Ufer zurück, wo ein kreischendes Mädel panisch vor einer Krabbe davonrannte, die anscheinend Gesellschaft gesucht hat. Ich traf den deutschen Wanderer wieder, den ich auf dem Hinweg vergeblich versuchte auf dem Roller ein Stück mitzunehmen. Er hatte beim Weg über die Felsen Angst bekommen, weshalb er umgekehrt war und sich von der Dame im Holzhaus ein Kanu geliehen hatte. Zürück fahren wollte er jedoch mit dem Boot, weshalb ich nach ein paar entspannten Stunden am Strand sein Kanu für den Rückweg benutzen konnte. Das schwierige Stück der Strecke auf dem Rückweg kostete mich schließlich jede Menge Zeit, da der schwere Roller immer wieder in einer der Rillen stecken blieb. Auf den Fotos ist leider nicht wirklich zu erkennen, wie steil die „Straßen“ wirklich sind.

Nichts geht mehr


Letztendlich hatte ich einige tiefe Kratzer im Unterboden, denn auch am Vortag hatte ich schon das eine oder andere Mal den Boden geknutscht. Ich hatte ein wenig bedenken, da die Rollervermieter mit diesen Ersatzteilen ihr Geld verdienen. Der Roller an sich ist spottbillig, und bei der Abgabe wird penibel nach Kratzern gesucht, die man sich auf dieser Insel unvermeidlich holt, wenn man etwas sehen möchte. Die Werkstätten waren voll von Unterböden und Auspuffabdeckungen, und ich hatte in weiser Voraussicht nicht meinen Reisepass abgegeben, sondern etwa 125 Euro Kaution. Was ihr auch tut, gebt bloß niemals euren Reisepass ab, ich habe Berichte von Leuten gehört die deshalb richtig heftige Probleme bekommen haben. Ein Schweizer steckt zum Beispiel seit einem Monat auf der Insel fest, da der Vermieter seinen Roller wegen einem lächerlichen Karosserieschaden auf dem Festland auf Motorschäden überprüfen lässt und solange seinen Pass einbehält. Ein Anderer musste umgerechnet 150 Euro für einen beschädigten Aufkleber bezahlen. Gibt man den Reisepass ab, sitzt man immer am kürzeren Hebel. Ich reparierte das Gröbste mit meinem Buschmesser und brachte mein Gefährt mit professioneller Unschuldsmiene zum Vermieter zurück. Natürlich lotst mich nach eingehender Überprüfung der dicke Mann mit bemerkenswert unsymphatischer Ausstrahlung in sein Büro und beginnt sein Rede. Man merkt sofort, dass er die Nummer schon etliche Male durchgezogen und nach wie vor Freude daran hat. Mit psychologischen Mitteln versucht er Druck aufzubauen, man hat den Eindruck als schaue man einen Film und sehe gerade den großen Oberbösewicht der Alles in der Hand hat. „so youre german... often they call me a german! You know why they call me a german? Because i have a system... bla bla bla“ Im Nachhinein fand ich es schade, nicht mit versteckter Kamera in das Büro gegangen zu sein. Man kann schwer beschreiben wie das Gespräch lief, und ich würde es zu gern einigen Leuten zeigen. Letztendlich hatte er jedoch ein wenig mit meiner Schlagfertigkeit zu Kämpfen, und als ich beiläufig meinen *hüstel* deutschlandweit bekannten Reiseblog und die Touristenpolizei erwähnte musste ich plötzlich nur noch knapp 40 anstatt etwa 85 Euro für die beschädigten Teile bezahlen.


Der Mitarbeiter einer Reiseagentur holte mich schließlich von dort ab, da ich am Abend meine planmäßig 34-stündige Reise nach Singapur antreten sollte. Ich sprach ihn auf sein merkwürdiges Tattoo auf dem Rücken an, und er erzählte mir dass es ein Tattoo von einem Mönch ist. Er hatte ein Alkoholproblem, und als seine Frau ihn deswegen vor zwei Jahren verlassen wollte hat er es machen lassen. In seiner Religion ist es streng verboten mit einem solchen Mönchstattoo zu trinken, weshalb er seitdem und bis an sein Lebensende nicht einen Tropfen Alkohol mehr trinken würde.
Ich verbrachte den Abend mit Dennis, einer netten Labertasche aus München und freute mich auf das „Schlafboot“, da ich die Nächte zuvor nicht wirklich geschlafen habe. Beim nächsten mal spare ich mir den Bungalow und lagere einfach irgendwo meinen Rucksack ;-) Auch war ich etwas erkältet, hatte eine Entzündung unterm Fuß und andere kleine Wehwehchen. Aber so etwas sollte einen Globetrotter ja nicht vom trotten abhalten. Im nächsten Beitrag berichte ich also von der langen Reise und meinem kurzen Aufenthalt in der Löwenstadt!
Machts gut,

Flo



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