Zeitreise Reisezeit

Hallo ihr Lieben...

es ist Donnerstag, der 24.10.2013 – vor genau einem Jahr begann meine Reise. Aber was macht man auf einem Reiseblog zum Jubiläum? Eine Zusammenfassung der Geschehnisse? Die Highlights in Erinnerung rufen? Neue Bilder, Statistiken? Nichts von Alledem scheint mir angebracht. Wie soll eine Rezension vermitteln, was nicht einmal der beste Reiseblog mit regelmäßigen Einträgen schaffen kann – das Gefühl, sich mit meist möglicher Freiheit von Erlebnissen, Herausforderungen und Wünschen motiviert durch die ferne fremde Welt treiben zu lassen. Jeder ernsthafte Versuch dessen endet in Resignation und der Einsicht, dass Worte, Texte, Bilder und Videos eben immer nur einen winzigen kleinen Teil vom großen Gesamtpaket erzählen können. Jeder wird sich nun denken „na logisch“, doch nur wer bereits in meiner Situation gewesen ist besitzt die Fähigkeit, die Tiefe dieser Erkenntnis zu verinnerlichen. Alles was bleibt ist daher ein Appell, selber diese Erfahrung zu machen.

Doch braucht es wirklich einen Appell? Andauernd höre und lese ich, dass man es mir gerne gleichtun würde, aber nicht die Möglichkeit dazu hätte. Meine Antwort ist immer gleich: Was hält dich davon ab? Die Antworten darauf beziehen sich dann meistens auf Geld, Zeit und Verpflichtungen. Bullshit. Geld kann man sparen, Zeit hat man solange man lebt und Verpflichtungen kommen und gehen. Man sollte vielleicht nicht überstürzt packen und zum nächsten Flughafen rennen, wenn man hochschwanger und pleite kurz vor dem Diplom steht und auf eine Niere wartet. Doch mit genügend Motivation und dem richtigen Zeitpunkt steht diese Möglichkeit Jedem offen – der Tatsache bewusst, dass unzähligen guten Aspekten einer solchen Entscheidung auch immer einige Negative entgegenwirken.

Das Alles ist natürlich nicht Jedermanns Sache. Natürlich? Jemand wie ich, der - wie man unter Reisenden sagt - „bitten by the travel bug“ bereits mit Reisefieber infiziert ist versteht nur schwer, wie man ein solches Abenteuer NICHT wollen kann. Ich persönlich glaube, es gibt 4 Typen von Reiseverweigerern. 

  • Typ 1: Der Ledersessel-Muldensitzer. Warum vor die Tür gehen, wenn es Zuhause doch am Schönsten ist? Bekannte Gesichter leisten mir Gesellschaft, im Kühlschrank ist stets ein kaltes Bier und Wikipedia weiß doch eh alles über Australien oder Nepal.
  • Typ 2: Der Fitness-Studio-Jahresabo-Besitzer. Das sieht nicht gut aus in meinem Lebenslauf. Ein Jahr auf Reisen ist ein verlorenes Jahr auf dem Weg zu Karriere, Geld und hübschem Haus mit Kies-Auffahrt.
  • Typ 3: Der Nach-dem-Wochentag-Fragende. Was bringt mich ans Ende der Welt, wenn die Motivation gerade so ausreicht, den Alltag zu bewältigen? Das bringt mich auch nicht weiter. Reisen kann ich immer noch, wenn ich alt bin.
  • Typ 4: Der Klopapier-auf-Vorrat-Käufer. Da kenne ich Keinen, die reden nicht einmal meine Sprache! Was, wenn ich krank werde? Ich kann das nicht.

Um die Frage wieder aufzugreifen, ob ein Appell von Nöten ist: Ich denke ja! Es ist ein wenig so als wenn man mit Freunden einen Film schaut, den man selbst schon gesehen hat: Die Kumpels sollen ihn auch sehen und dürfen nichts verpassen. Man hat einfach den Drang, die Begeisterung für etwas zu teilen. Mit dem Reisen ist es nicht anders – wer das verstehen will, muss es selber tun. 
Typ 1 aber wird so lange in seinen Sessel pupsen, bis er gelangweilt ist und seinen Horizont erweitern möchte. Typ 2 ist ohnehin verloren und kann nur mitleidig belächelt werden. Bei Typ 3 und 4 gibt es jedoch Aussicht auf Erfolg - Packt euren Rucksack, ihr werdet es nicht bereuen. Ich habe mit etlichen Reisenden gesprochen, die nach langem Zögern den Schritt zur großen Reise gewagt haben. Typ 3 findet seinen Weg oder kommt sich selbst zumindest ein Stückchen näher. Typ 4 hat Heulkrämpfe und Heimweh, überwindet sich aber irgendwann, wird selbstsicherer und aufgeschlossener. Ich selbst war wohl Typ 3, als mich vor einigen Jahren Reiseblogs dazu animierten, meine Sachen zu packen – die absolut richtige Entscheidung!

Man, wie schnell ein Jahr vergeht – nicht. Mir kommt es eher vor, als sei es schon 3 Jahre her, dass ich meine Familie ein letztes mal gedrückt habe und in den Flieger nach Abu Dhabi gestiegen bin. Es ist einfach so viel passiert in der Zwischenzeit. Man erlebt, bewältigt und lernt viel mehr, als man es normalerweise in einem Jahr tun würde. Mit einem ganzen Jahr auf Reisen kommt auch die Frage nach einem Ende dessen auf, worüber ich mir in der letzten Zeit einige Gedanken gemacht habe. In genau 2 Monaten ist Weihnachten, in genau 4 Monaten ist mein Geburtstag und in genau 6 Monaten verfällt mein Open-Return Rückflug. Erst 7 Monate später würde mein 2.Jahres-Visum auslaufen, sofern ich es denn bekomme. 
Ohne zu persönlich zu werden – ich möchte mein Rückflugticket nicht verfallen lassen, aber auch nicht viel eher wiederkommen. Demnach plane ich, in 6 Monaten wieder in Deutschland zu sein. Das bedeutet ein weiteres Weihnachten und ein weiterer Geburtstag ohne Freunde und Familie. Ich glaube danach ist es wirklich an der Zeit, dem Ruf in die Heimat zu folgen – zumindest für einige Zeit. Mit insgesamt 18 Monaten Reisezeit hätte ich dann zwei deutsche Winter übersprungen – Wahnsinn! Das alles ist natürlich wie immer nur eine Planung. Sollte ich mein Visum nicht bekommen bin ich schon eher wieder da, und sollte ich einen pervers lukrativen Job bekommen vielleicht auch erst ein paar Monate später. Aber es ist recht wahrscheinlich, dass ich meinen Hintern im April in Frankfurt aus dem Linienflieger zittere. Also, macht euch nackig und stellt das Bier kalt!

Der Flo

P.S.: Alles Gute zum Geburtstag Däääd! (Auf 2-3 Tage kommt es nicht an und der Erste bin ich sowieso :-P)


24.10.2012


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