Yolo im Paradies

Eine lange Busfahrt und ein Marsch durch eine Golfanlage sind nötig, um zum Startpunkt des berüchtigten Hikes der Insel zu kommen: dem Olomana Track. Irgendein Spaßvogel hatte wohl einen Edding dabei und ihn in „Yolomana track“ umgetauft. Ich grinste und begann, meine 3 Liter Wasser den feuchten Urwaldpfad hinauf zu schleppen. Es war bereits 14:30 Uhr - eigentlich wollte ich erst am nächsten Tag hier her, musste jedoch einen Termin umlegen und hatte mich spontan noch alleine auf den Weg gemacht. Der Pfad wurde steiler und die Vegetation spärlicher. Immer öfter hing ein Seil an den Felsen um den Aufstieg zu erleichtern. Nass geschwitzt erreichte ich schließlich den ersten der drei Gipfel, wo ich eine Hawaiianerin kennenlernte. Ein Duft von Marihuyoloana lag in der Luft und sie plapperte fröhlich drauf los. Wir quatschten uns ein wenig fest, und irgendwann fand ich mich in einer Gruppe aus 10 Einheimischen wieder. Sie warnten mich vor den letzten beiden Gipfeln und schließlich machten sich alle bis auf zwei Jungs wieder auf den Rückweg. Zu dritt wagten wir uns an den Abstieg auf der anderen Seite, und 20 Minuten später waren wir auch schon auf dem zweiten Gipfel. Na also, kein Problem! 

Aber das eigentliche Abenteuer begann erst hier. Ein paar Spinnennetze verrieten, dass hier schon länger niemand mehr abgestiegen war. Die Jungs baten mich voran zu gehen, da Grünehose etwas wackelig auf den Beinen war und Rotehose ihn im Sichtfeld haben wollte. Ja, die Namen habe ich wohl vergessen. Ein Bündel aus drei verschiedenen, langen Seilen half beim steilen Abstieg und ich hatte ein wenig sorgen um Grünehose, der verdächtig langsam unterwegs war. Der Aufstieg zum dritten Gipfel war schließlich einfach nur extrem. An beiden Seiten geht es steil hinab, und man klettert und hangelt sich teils mit, teils ohne Seil den Grat des Gipfels hinauf. Und immer wenn man denkt man ist oben zaubert der Berg einen weiteren kleinen Anstieg herbei. Ich habe den letzten Aufstieg mit meiner Helmkamera gefilmt, wer Lust hat kann mich da dann 15 Minuten lang schnaufen und fluchen hören - aber so kurz vorm Ziel wollte ich schließlich auch nicht umdrehen! Als wir endlich den Gipfel erreichten hämmerte mein Schädel, die Sonne stand bedrohlich tief und ich brach meinen letzten Liter Wasser an. Ich teilte es mit Rotehose und Grünehose, die als Einheimische zwar besser mit der Hitze zurechtkamen, aber nichts dabei hatten. Selbst auf dem Gipfel war es absolut windstill und ich fand nur ein verkümmertes Bäumchen, welches ein wenig Schatten spendete. Es war dermaßen heiß, das ich mich nicht gewundert hätte wenn zwei Hobbits vorbei gekommen wären und einen Ring von der Klippe geworfen hätten. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so geschwitzt zu haben! Der Rückweg war schließlich nochmal eine Nummer härter. Dehydriert und mit der Zeit im Nacken duften wir dennoch keine Sekunde unkonzentriert sein - auch wenn man sich an den steilen Abgrund nach einiger Zeit fast schon gewöhnt hatte. Aber hey, außer meinen Flipflops haben den Hike alle überlebt.

Es lag noch etwa eine halbe Stunde vor uns, als wir auf dem dicht bewachsenen Startstück des Hikes ein bedrohliches Knacken neben uns im Busch hörten. Die Sonne war fast verschwunden und das Knacken und Rascheln kam immer näher. Wir erstarrten und Rotehose flüsterte mir zu, dass es ein wilder Eber sein könne. Zum Rascheln gesellte sich dann aber ein heisernes Röcheln, und ein total fertiger Hund kam gemächlich auf uns zu gewackelt. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und klappte direkt vor meinen Füßen zusammen. Um seinen Hals hing ein GPS-Gerät, es war also offenbar ein Jagdhund. Ich wechselte ein paar perplexe Blicke mit Rotehose und Grünehose. Jagen tut der hier schon mal nichts mehr, das war klar. Aber was nun? Der Hund atmete noch und ich konnte seinen Puls auf meinen Fußen spüren. Ich hatte noch 3-4 Schlucke Wasser, die ich mir eigentlich als Motivation für das Ende der Wanderung aufheben wollte. Es reichte, um ihn wieder auf die Beine zu kriegen und er folgte mir auf Schritt und Tritt röchelnd aus dem Regenwald hinaus, über den verlassenen Golfplatz bis hin zur Hauptstraße. Wir mussten sehr langsam gehen, da der Hund dermaßen am Ende war. Am Highway verabschiedete ich mich von den beiden Hosen und organisierte ein paar Einheimische, die den Hund nach ein paar Telefonaten zu einer Tierstation fuhren. Überglücklich und völlig fertig habe ich auf der Rückfahrt dann den gesamten Bus mit dezentem Schweissgeruch beglückt, ehe ich beim Anblick eines McDonalds hektisch ausstieg und mir einen McUltra Maxibeef Deluxe Allesdrauf Bacon Plus mit großer Cola gönnte. Was für ein Tag! Als ich dann irgendwann nach 22 Uhr wieder nach Hause kam hatte Julius sich bereits verschiedene Notrufnummern herausgesucht. Glück gehabt, das wäre teuer geworden…

Der Olomana Track war wohl mein größtes Abenteuer hier auf Hawaii. Aber was ist sonst noch passiert? Damit dieser Eintrag nicht explodiert fasse ich mich mit dem Rest nun etwas kürzer. Da wäre zum einen der Termin, den ich ja umlegen musste. Ich traf mich mit Simon, dem sympathischen Tättowierer, mit dem wir bereits ab und zu etwas unternommen hatten. Dieses mal trafen wir uns allerdings an seinem Arbeitsplatz… ja, dort habe ich mir dann eine Kleinigkeit auf den Fuß tättowieren lassen. Das hatte ich eigentlich schon in Thailand vor, wo mir aber Mosquitos einen Strich Stich durch die Rechnung gemacht haben. Das hat ganz schön ordentlich gezogen am Knöchel - schmerzhafter sind aber auch nur die Stellen, wo man(n) echt kein Tattoo haben will.

Vor 2 Wochen habe ich außerdem Pearl Harbour besucht. So viele Touristen auf einem Haufen habe ich das letzte mal am Times Square gesehen! Nach einem Film wird man per Boot zum Ort gebracht, wo die USS Arizona gesunken ist. Wirklich empfehlenswert ist der Besuch von Pearl Harbour meines Erachtens aber nicht, da es nicht allzu viel zu sehen gibt und die Geschehnisse dort auch durchweg recht einseitig präsentiert werden… Hawaii ist eben nach wie vor Amerika. Es gab jedoch einige interessante historische Aufnahmen, und auf den übrigen kostenpflichtigen Attraktionen war ich nicht. Ein Tipp am Rande: Die Leute stehen dort ab 6 Uhr morgens für mehrere Stunden in der Schlange, um eine Fahrt für die USS Arizona irgendwann am Tag zu ergattern. Komplett unnötig, denn direkt an den Booten gibt es eine zweite Reihe für Leute ohne Ticket und man ist in weniger als einer halben Stunde an Board.

Ansonsten habe ich mir wieder ein Longboard angeschafft. Gestern habe ich wie geplant das Ende abgesägt, damit es in meine Reisetasche passt und ich keine zusätzlichen Kosten beim Fliegen habe. Da ich gerade in McGuiver-Stimmung war habe ich auch direkt meinen Gürtel mit Messer, Feuer und etwas Paracord repariert. Uga uga! Apropos Feuer, gestern war der vierte July, der amerikanischste Tag aller Tage im Jahr. Hier war die Hölle los, unter großem Feuerwerk schob sich eine Flut aus Menschen über den Strand von Waikiki. Apropos Flut, an jedem Ersten des Monats ertönt auf ganz Hawaii testweise eine Tsunamiwarnung. Im Ernstfall müssten wir auch unser Haus hier räumen und auf den Diamond Head rennen. Was allerdings passiert, wenn das Timing nicht ganz passt und genau am Ersten ein Tsunami kommt konnte mir aber noch keiner sagen. Apropos Timing, da war ja noch was - ich hab mein Visum! Seit November sitzt es mir im Nacken und nun, keine Woche vor Abflug, habe ich meinen heiß ersehnten PoE (Willkommensbrief) erhalten. Ohne den PoE wäre das nochmal richtig knapp geworden an der Grenze - dauernd gibt es Horrorgeschichten von Reisenden in meinen Facebookgruppen, die wieder nach Hause geschickt werden. Kanada ist da wohl ziemlich streng, es wurden schon Konzerte abgesagt weil vorbestrafte Musiker nicht über die Grenze gelassen wurden. Mit Alibi-Rückflug und einigen Tricksereien hätte ich Situation wahrscheinlich regeln können, aber mit dem Visum in der Tasche kann ich das Ganze natürlich viel entspannter angehen. Apropos entspannt… ist mal gut jetzt hier!

Morgen ist meine Zeit auf Hawaii also vorbei und ich fliege endlich nach Kanada! Das hört sich jetzt ein wenig so an, als wenn es hier nicht auszuhalten wäre - was natürlich quatsch ist. Aber so schön es hier auch ist, beginne ich doch so langsam hier zu versacken und lebe mehr oder weniger unmotiviert in den Tag hinein. Aber was ändert sich, wenn ich Surfbrett und Palmen gegen Schneeschieber und Ahornsirup tausche? Nun, ab morgen ist eben wieder alles möglich. Kanada ist das Ziel, worauf ich seit Monaten hingearbeitet habe. Endlich wieder Ungewissheit, Herausforderungen und Abenteuer. Für fünf Tage habe ich ein Hostel in Vancouver gebucht und das ist alles, was ich über meine nächsten 365 Tage sagen kann. Und genau das ist eben der Unterschied, das ist worauf ich mich freue und warum ich meine Art des Reisens so liebe. Canada, here i come!

Flo


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Kommentare: 2
  • #1

    Captain (Montag, 06 Juli 2015 16:22)

    Erstmal vielen Merci für die extrem unromantische Karte ... ;-) Und jetzt mal im Ernst Flo, du kannst doch nicht sagen, dass du dir was tatowieren lassen hast, aber dann nicht sagen was und auch kein Photo davon dran zu hängen!

  • #2

    Flo (Montag, 06 Juli 2015 21:34)

    Oh, ein skatendes Nashorn natürlich ;) Gibt kein Foto weils erstmal verheilen muss. Gruß nach D!