Wälder, Bergseen, Katzen auf LSD

Ein See bei Lillooet - endlich wieder on the road!
Ein See bei Lillooet - endlich wieder on the road!

Auf dem alten, matt grünen Pickuptruck des Campingplatzbesitzers sitzen etwa 15 Leute. Die meisten auf der Ladefläche, aber auch Dach und Motorhaube sind gut belegt. Wahrscheinlich bin ich der Nüchternste von ihnen - mit dem Rasta, der wie bekloppt mit einem Besen auf die Anhängerkupplung einprügelt kann jedenfalls keiner mithalten. „Loose bay, Loose bay!“ grölt die Masse und wird nur kurz unterbrochen, wenn der Pickup mal wieder abrupt bremst oder mit locker 10kmh gegen einen massiven Baum fährt. Dann ist kurz Ruhe, bis klar ist alle haben das Manöver mehr oder weniger unversehrt überstanden und die Party geht weiter. Neben mir ist nur ein Belgier unter den ansonsten ausschließlich französischsprachigen Kanadiern. „You’re from germany? How the hell did you end up in Loose bay!?“

Als Julius und Ich vor zwei Wochen Vancouver verließen hatte ich wie paranoid sämtliche Instrumente im Cockpit meines Ateam-Vans im Blick. Ich habe wohl zu viele Erfahrungen in Australien gesammelt, um einfach ein altes Auto kaufen und sorglos gen Wildnis fahren zu können. Und die steilen Rocky Mountains sind bei etwa 34 Grad wohl eine Art Generalprobe für mein neues Heim. „Blubber“ meisterte jedoch alle Hürden mit Bravour, und als wir am nächsten Morgen Whistler erreichten steuerten wir direkt das Besucherzentrum an, um uns einen Überblick zu verschaffen. Im idyllischen Skiort war gerade Sommersaison und fast jeder Laden in der Stadt suchte händeringend nach Personal. Im Ort stolperte ich erstmal über Henning, den ich in Island kennengelernt hatte. Klein ist die Welt! Naja eigentlich nicht. Eigentlich hat die Welt eine ganz gute Größe - man kann ja theoretisch sein Leben lang reisen und hat dann mehr oder weniger Alles gesehen, wenn man nicht mehr laufen kann. Hat das Universum ganz gut hingekriegt finde ich. Der Plan jedenfalls war, für ein paar Wochen in Whistler zu bleiben. Der Ort gefiel uns und die Saison auf den Gasfeldern im Norden beginnt ohnehin erst im September. Wir buchten uns für stolze 60 Dollar auf dem einzigen Campground ein und nahmen ein Shuttle zurück in den Ort.

Zwei Tage später war klar - aus dem Plan wird nichts. Es gab einfach keine Möglichkeit länger in Whistler zu wohnen. Der Ironman stand vor der Tür und der Ort war voller denn je. Sämtliche Unterkünfte und Campgrounds waren ausgebucht, und parken im Ort (geschweige denn campen) unmöglich. „Dann halt nicht“ dachten wir uns und fuhren weiter gen Norden. Wir durchquerten Pemberton und fanden einen idyllischen Platz am Duffy Lake, wo wir für die Nacht blieben. Hunderte Baumstämme haben sich zu einer Art gigantischem Floß gestaut und ich konnte natürlich nicht widerstehen über die Stämme zur anderen Seite des Sees zu klettern. Ob ein Stamm absinkt oder sich dreht wusste man natürlich immer erst, wenn man schon drauf war. Spaß pur für den Florian.

Als wir am nächsten Tag Lillooet erreichten war es wiedermal brütend heiß. Der Ort sah aus wie aus einem Westernfilm herauskopiert -  alte Holzverschläge, trockene Erde überall und eine einsame Eisenbahnlinie am Fuße der kargen Bergkette. Es hätte uns nicht gewundert, wenn der Schatten von Lucky Luke an uns vorbei geritten wäre. Gefolgt von Lucky Luke natürlich. Im erstbesten Saloon stärkten wir uns mit Bananen und Muffins und folgten der Route 12 gen Südosten. Unser neues Ziel war das Okanagan Valley - die wärmste Region Kanadas, wo wir hofften den Monat mit Farmarbeit überbrücken zu können. Wir erfrischten uns in den zahlreichen Bergseen unterwegs und nutzten die Solardusche, die wir uns hinten auf das Auto gebunden haben. Auch ein kurzer Hike zu einem Wasserfall stand auf dem Programm.

Vor einer Woche erreichten wir schließlich Osoyoos. Der kleine Ort an der Grenze zu Amerika markiert den südlichsten Punkt des Okanagan Valleys. Am Horizont war ein großer Waldbrand zu sehen. Hier begann der Spaß von vorne - orientieren, Informationen sammeln, Fragen stellen. Denn als Reisender an Informationen zu kommen ist oftmals gar nicht so einfach. Besucherzentren leiten einen zum üblichen Tourikram und einen echten Überblick über den Arbeitsmarkt vor Ort hat eigentlich niemand. Am besten ist es wirklich, jedem den man trifft seinen Plan in die Ohren zu quatschen. Die besten Tipps kriegt man dann völlig unerwartet. So erfuhren wir schließlich auch von der Loose Bay, einem Campingplatz nahe Oliver für unschlagbare 5 Dollar pro Nacht. Eine gute Basis um nach Jobs in der Region zu suchen. „Campingplatz“ ist aber wohl übertrieben, im Endeffekt ist Loose Bay ein großes Grundstück auf einem Berg mit Klo und Dusche und jeder macht was er will. Sei es Football spielen, Bäume umarmen oder eben Anhängerkupplungen mit dem Besen vermöbeln. Am ersten Abend trauten wir uns nicht schlafen zu gehen, da in der Nähe ein Buschfeuer brannte und der Wind in unsere Richtung blies.

Arbeit zu finden ist hier im Vergleich zu Australien wirklich einfach. Jedoch ist Farmarbeit deutlich schlechter bezahlt und es ist nicht üblich, dass Arbeiter auf dem Farmgrundstück wohnen. Die Betriebe sind auch deutlich kleiner, was es schwierig macht gleich für zwei Leute einen ordentlichen Job zu finden. Denn mit all unserer Arbeitserfahrung aus Australien waren wir uns einfach zu schade, für umgerechnet 8 Euro pro Stunde Kirschen oder Pflaumen zu pflücken. Die Motivation war im Keller und Julius ohnehin am zögern. Freunde beschreiben meinen Charakter ja schon als sprunghaft, aber Julius ist sprunghaft wie eine Gazelle auf Koks. Macht das alles Sinn hier? Schließlich ist es nichtmal sicher, ob er mit seinen Rückenproblemen die harte Arbeit im winterlichen Norden überhaupt machen kann. Naja, selbst ohne Rückenprobleme wäre ich mir da nicht so sicher. Denn von dem was man so hört ist die Arbeit auf den Rigs wirklich extrem. Julius flog daher vorgestern spontan nach Ottawa, wo auch seine Freundin Hayley bald wohnen wird. Natürlich nicht, ohne vorher noch ordentlich im Gin Rommé abgezogen zu werden ;) Wir haben uns wie immer super verstanden und ich bin mal gespannt, wann und wo wir uns das nächste mal wiedersehen werden.

Auch wenn wir mal wieder einen genialen Trip hatten bin ich nun froh, meine fahrende Einzimmerwohnung mal ganz für mich alleine zu haben. Roadtrips sind in Gesellschaft besser, aber wenn man länger an einem Ort bleibt und arbeitet ist es einfach viel unkomplizierter und entspannter alleine. Ich machte einen Frühjahrsputz und spannte eine (Klischee-Alarrrm!) Kanadafahne als Vorhang hinter die Vordersitze. Unfassbar wie viel Zeug man in nur zwei Wochen ansammelt! Aber mit Blubber habe ich wirklich einen Glücksgriff gelandet. So komfortabel habe ich unterwegs noch nie gewohnt und er hat alles was man sich wünschen kann. Und Blubber hilft sogar dabei Kontakte zu knüpfen, weil man andauernd auf den Wagen angesprochen wird.

So, jetzt seid ihr wieder auf dem Laufenden. Momentan wohne ich also auf einem wilden Campingplatz im Okanagan Valley. Gestern war kein guter Tag für dessen Bewohner, denn die Katze von einem der Hippies hat all ihr LSD gefressen. Die Hippies mussten sich daher mit ein wenig Bier zufrieden geben und das arme Vieh betuddeln, was total paranoid über den Platz hüpfte. Aber keine Angst, der Katze gehts wieder gut. Sie ist nur noch etwas *hust* verkatert. Nur ein Hippie hat anscheinend noch etwas vom LSD gefunden - er saß Stundenlang in einer Baumkrone neben meinem Van, und als ich ihn fragte ob alles OK ist murmelte er nur etwas von wegen „connection“. Wie gesagt, 5 Dollar pro Nacht… aber die Landschaft im Okanagan Valley ist wirklich schön, die Temperatur fällt nur selten unter die 30°-Marke. Im Valley versuche ich für die kommenden Wochen also noch einen halbwegs ordentlichen Job zu finden, um ein wenig Geld zu sparen und kanadische Arbeitserfahrung nachweisen zu können. Im September gehts dann wahrscheinlich in den rauen Norden. Aber wie sagt die Oma, es kommt erstens immer anders als man zweitens denkt. Und wenn es ums Reisen geht hat die Oma auf jeden Fall recht!

Bis zum nächsten mal, euer Flo

P.S.: Auf dem Weg zur Library, von wo ich diesen Eintrag hoch- lade habe ich fast eine Schildkröte überfahren. Ich dachte ja im ersten Moment, mir hat die Katze ins Nutella gespuckt. Aber hier gibts doch tatsächlich Schildkröten! :)


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