Früchte am Feuer

Es ist mal wieder soweit, dass ich meine Blogeinträge mit „Jetzt hab ich schon wieder einen Monat nichts von mir hören lassen“ beginnen muss. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Arbeit. Seit Monatsanfang bin ich professioneller Früchteschubser in einer Verpackungshalle im schönen Osoyoos. Auf der Suche nach Arbeit hatte ich zunächst sämtliche Weingüter zwischen Oliver und Osoyoos abgeklappert - und das sind so einige. Ich hab derartig mit Lebensläufen um mich geworfen, ich hätte auch „Kamelle“ dabei rufen können. Bei den meisten Weingütern war allerdings tote Hose, und ich schaute mich bei „Work BC“, den regionalen Arbeitsvermittlungsbehördenstellen (hoffentlich passt das Wort in die Zeile) nach Alternativen um. Dort hörte ich schließlich zum ersten mal vom hiesigen Unternehmen, wo ich nach einem Bad im See kurzerhand vorbeifuhr und in die Halle hineinspazierte.

„Safety west!“ tönte eine schrille Stimme von der Seite. Die Chefin stellte sich aber als sehr nett heraus - Dinge wie Warnwestenpflicht und Händewaschen beim Betreten der Halle sind hier in erster Linie dazu da, den illegalen Mexikanern bei Behördenbesuchen einen kleinen Vorsprung zu geben. Nur einer der Gründe, hier keine konkreten Namen zu nennen oder Firmenlogos zu zeigen. Ob ich den Job haben kann stand überhaupt nicht zur Debatte, sie zeigte mir alles und meinte dann einfach um 8 würds losgehen. Alles klar murmelte ich und parkte meinen Candyvan unter den Kirschbäumen am Rande des Grundstücks. Die Sprinkleranlage habe dabei natürlich übersehen.

Samstag früh um 8 stand ich dann also komplett zermatscht genauso motiviert wie ausgeschlafen vor der Halle. Sollen se kommen, die Birnen. Immerhin hatte ich Stahlkappenschuhe mitgebracht. Die sollte ich nämlich eingelaufen haben, bevor die harte Zeit im Norden beginnt. Und wer weiß, vielleicht fällt ja auch mal eine Birne runter. Mit etwa 25 anderen Raketenwissenschaftlern packe ich seitdem Früchte ein. Die Kirschen habe ich dabei knapp verpasst - zu Beginn waren es fast nur Pfirsiche, Nektarinen und Pflaumen, mittlerweile nur noch Äpfel und Birnen, da die ja etwas später erst reif werden. Die Früchte werden zunächst geprüft und sortiert, anschließend in zig verschiedene Tüten / Boxen / Kisten geworfen, manchmal gewogen, manchmal gestapelt, manchmal beschriftet. Für große Bestellungen runder Früchte wird dabei der große „Grader“ angeworfen, der nur von mindestens 10-12 Leuten gleichzeitig bedient werden kann. Alles andere wird stumpf von Hand eingepackt. Ab und zu kommt statt einem Apfel auch mal ein Tennisball angerollt - dann weiß der Schriftführer, dass die Quelle der Früchte sich geändert hat. Denn die Farmer arbeiten auf Provision und bekommen Geld für ihre Früchte, je nachdem wie gut die Verpackungshalle sie an die Händler verkauft bekommt. Und jeder Händler hat andere Vorstellungen, was die ganze Sache relativ umständlich macht. Als einer der wenigen Männer dort bin ich eine Art „Allrounder“, immer wenn irgendwo etwas schief läuft oder Hilfe gebraucht wird schreit irgendjemand „Flooow“ oder „Aaarnold“ und ich eile zur Stelle. Dadurch ist der Job für mich nur medium stumpf, anstatt total stumpf. Es hilft auch immer, wenn man sich mit Früchten abwirft (3-Sekunden-Regel), Murloc-Geräusche macht oder einen Balztanz mit der Pfirsichpalette aufführt.

Ein schneller Schnappschuss der Halle, in der ich schon an die 200 Stunden verbracht habe.
Ein schneller Schnappschuss der Halle, in der ich schon an die 200 Stunden verbracht habe.

Die Bezahlung ist wie in der Region üblich mit 12 Dollar pro Stunde nicht das Gelbe vom Ei. Nichtmal das Weiße, wenn man den aktuellen Kurs im Auge hat. Aber es gibt eine Menge Gründe, trotzdem hier zu bleiben. Zum einen kann ich kostenlos auf dem Grundstück wohnen, waschen, kochen und so weiter. Was man in den wahlweise 8 oder 10/11 Stunden Arbeit am Tag verdient, kann also bis auf ein wenig Essensgeld auch angespart werden. Es sei denn man macht es wie ich und wirft sein Handy durch die Gegend. Das geht dann nämlich kaputt, und man muss ein neues kaufen. Eher doof. Ein weiterer Grund für den Job ist, dass ich mich auf den Norden vorbereiten kann. „Winter is coming“ bekommt hier eine neue Bedeutung, denn die Geschichten, die ich so über die Arbeit im Minen / Ölbereich höre sind wirklich nicht ohne. Mittlerweile ist der eine oder andere verloren geglaubte Muskel wieder aufgetaucht und ich hoffe zudem, ein paar nützliche Kontakte abgreifen zu können. „Ey mein Bruder arbeitet da“ ist schließlich immernoch der  beste Weg, um an einen Job zu kommen.

Was die ganze Sache hier aber wirklich erträglich und immer wieder sogar spaßig macht sind die Menschen hier. Zum einen natürlich die Chefs, ein Pärchen an die 60. Die beiden sind einfach super freundliche Menschen - so richtig, wie man sich den Klischeekanadier vorstellt. Sie macht den Papierkram, er fährt den Gabelstapler. Natürlich nur, wenn er sich nicht hinter Kisten versteckt und „i am watching you, motherfucker“ murmelt. Regelmäßig gibt es Pizza, Bier oder Kuchen aufs Haus und in den kurzen, bezahlten Pausen steht eigentlich immer irgendetwas auf dem Tisch. Beim Arbeiten verbringe ich viel Zeit mit Kenny, der einen großartigen Humor hat. Dann gibt es noch die ebenfalls großartige Gaia, die mir spontan mit einer Apfelschere am See die Haare geschnitten hat. Natürlich hat sie sich in die Finger geschnitten, und aus sich aus Paper und Filter ein Pflaster gebastelt. Der stets unnüchterne Mat, der seiner schwarzen Witwe in den Pausen Käfer verfüttert. Die schüchterne Mika aus Japan, die mit ihren 41 Jahren aussieht wie Mitte 20. Jonathan, ein Nerd wie aus dem Bilderbuch, der allen tierisch auf die Nerven geht aber dabei doch irgendwie Entertainment ist. Carol aus Frankreich, mich der man sich trotz Sprachbarriere super unterhalten kann. Und halb Mexiko ist hier. Es sind zu viele, um sie alle aufzuzählen. Seit einer Woche habe ich mit Miriam auch deutsche Verstärkung - sie hatte mich über Facebook nach dem Job gefragt. Samstag Abend steht immer Eskalation im Kalender und es geht an den See oder in den „Pub“. Das ist dann wahrscheinlich ähnlich wie in Deutschland, nur dass man in Deutschland nicht so oft nachts um 4 nackt in den See rennt.

Trotz allem hat man vom Früchte einpacken natürlich irgendwann die Schnauze voll. Die Allergie macht mir außerdem sehr zu schaffen - ich schlucke hier mehr blaue Pillen als Berlusconi im Urlaub. Aber lange bin ich ohnehin nicht mehr hier. Etwa Mitte September, in 2 Wochen beginnt nämlich mein großes Abenteuer und ich werde mich auf den Weg in den Norden machen. Wohin genau bleibt ungewiss. Bis dahin kann man hoffentlich auch wieder sehen und atmen - beides ist in den letzten Wochen hier nicht selbstverständlich. Gigantische Buschfeuer aus Kalifornien haben die Gegend verraucht, man hat teilweise nur 100m Sicht und die Sonne leuchtet rötlich. Eines Nachts bin ich aufgewacht, weil jemand einen großen Truck neben Blubber aufs Grundstück gestellt hat, hektisch etwas von wegen Feuer murmelte und davonrannte. 2600 Hektar zwischen Osoyoos und Oliver standen in Flammen - wie hypnotisiert stand ich ein halbes Stündchen auf dem Highway und habe der surrealen Flammenwand zugeschaut. Noch so eine Sache, die man in Deutschland nicht so oft macht.

Das Feuer in der Nähe wütet seit 2 Wochen. Leider hab ich kein Bild der nächtlichen Flammenwand, da mein Handy kaputt  war und der Typ mit der Kamera ja nach Ottawa geflogen ist. Momentan liegt alles in Rauch.
Das Feuer in der Nähe wütet seit 2 Wochen. Leider hab ich kein Bild der nächtlichen Flammenwand, da mein Handy kaputt war und der Typ mit der Kamera ja nach Ottawa geflogen ist. Momentan liegt alles in Rauch.

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Kommentare: 11
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