Gutsten Tach werte Leserschaft und herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe von „Ich bin da wo du nicht bist und erzähl dir was drüber“ - diesmal aus den Tiefen des kanadischen Buschlands. Ich sitze grade in meinem Zimmer im Camp und habe mal wieder nix zu tun, da meine Schicht erneut einen Tag nach hinten verschoben wurde. Arbeitstechnisch passiert hier bisher immer das exakte Gegenteil von dem, was einem gesagt wird. Es stört mich erstaunlich wenig, aber ist doch irgendwie interessant. Wenn es angeblich Arbeit gibt, gibt es keine und umgekehrt. Die Unzuverlässigkeit ist dabei schon so konstant, dass sie wieder zuverlässig ist. Natürlich ergibt das Sinn. Beim Upload meines letzten Eintrags um 7 Uhr morgens gabs noch lecker Energydrink, damit ich wieder in einen normalen Schlafrhythmus komme. 20 Minuten später klingelte dann mein Handy. Flo, Arbeit, heute Nacht!
Es ist 2 Uhr nachts und ich sitze irgendwo mitten im kanadischen Busch in meinem Firmentruck. Pumpe 606 neben mir macht Geräusche, als hätte wieder jemand die Öffnung für Öl und Diesel verwechselt. Naja, noch läuft sie. Ich habe immer ein paar Minuten Zeit, ehe wieder 35 Kubikmeter Wasser auf 26 Rädern angerollt kommen und in den zu groß geratenen Swimmingpool hinter mir gepumpt werden wollen. Die Zeit verbringe ich mit Lesen, Film schauen oder eben Blog schreiben. Es ist meine zweite Nachtschicht und der Pseudo-Jetlag lässt mich jeden Satz drei mal umformulieren, ehe er halbwegs lesbar scheint. Zeit noch eine Cola aus dem Schneehaufen nebenan zu holen! Der Schneehaufen hat sich gegen das Autodach durchgesetzt, da es auf der Heimfahrt zu oft Cola geregnet hat.
Dieser Eintrag handelt vom Fall der Berliner Mauer, was natürlich schamlos gelogen ist. Aber manchmal fühlt man sich hier wirklich
wie ein paar Jahre in der Zeit zurückversetzt. Beim Faxen (echt jetzt) und SMS schreiben sind die Weltkriege stets ein beliebtes Thema, und während man bei Mäcces auf seine Bestellung vom
Dollarmenü (auch das gibts noch) wartet, erzählt einem die Kassiererin wie erleichtert sie doch ist, dass Hitler jetzt tot ist. Smalltalk made in Canada.
Nachts sind es hier mittlerweile immer unter 0 Grad, und als mir eines Morgens die Decke am Gesicht fest gefroren war wusste ich, dass es so nicht weiter gehen konnte. Schließlich hat meine
Mutter „keinen Bock einen tiefgefrorenen Florian nach Hause geschickt zu kriegen“, was ich auch durchaus verstehen kann. Der normale aufgetaute Florian ist ja schon gewöhnungsbedürftig. Ich
besorgte mir daher einen 1500 Watt Keramik Heizlüfter, den ich Nachts immer schön auf Kosten der Firma durchlaufen ließ. Ich schlich mich für die Nacht eh immer dort auf den Parkplatz, um meinen
„Block Heater“ an den Strom anzuschließen. Das ist quasi ein Tauchsieder fürs Kühlwasser, womit die Autos in Kanada auch bei eisigen Temperaturen am Leben erhalten werden. Fast jeden Abend liefen
mir dort Rehe oder auch mal ein Elch vor dem Auto entlang.
Die erste Nacht alleine in Fort St. John wär kälter, als ich erwartet hatte. Sobald die Temperatur in den negativen Bereich fällt, wird es im Auto recht ungemütlich. Ich kramte meinen Schlafsack
wieder hervor, der seit meiner Zeit in Island nur noch als Rückenlehne missbraucht worden ist. Morgens ist die erste Amtshandlung meist das Starten des Motors, danach ich verkrieche mich direkt
nochmal für 20 Minuten unter die Decke. Dank großem V8-Motor und seperatem Heizlüfter unter dem Bett wird der Wagen dann aber immerhin sehr schnell warm.
Hallo ihr Lieben! Es ist geschafft - gestern, am 2. Oktober, bin ich in Fort St. John angekommen. Von nun an wird sich mein Leben
um 180° drehen, danach auf den Kopf stellen, spiegeln und nochmal kräftig durchmöllern. Doch vorher berichte ich euch von der vergangenen Woche und meinen gewagten Plänen an diesem
Lebensfeindlichen Ort.
Bevor Anna und Ich uns auf den Weg nach Jasper machten, besuchten wir noch den Athabascagletscher, der sich als eine der Hauptzungen des gigantischen Columbia-Icefields durch die Rockies gegraben
hat. Knapp unter der Schneegrenze konnte man den Großteil der Eismassen allerdings nur erahnen. Richtung Norden geht es nach dem Gletscher aber stetig wieder bergab, und wir kletterten spontan
einen kleinen Wasserfall am Straßenrand hinauf. Trotz gemischtem Wetter war die Straße nach Jasper sehr schön, und Anna war ganz aus dem Häuschen: „Guck mal all die Bäume hier, und so viel grün,
voll schööön oder!?“ - „Joa“ lautete meine knappe Antwort. Ich durfte in meinem Leben ja schon die eine oder andere Tanne begutachten und bin dementsprechend bei den meisten Aussichten eher
uneuphorisch. Eines Nachts hat Anna daher sogar schon geträumt, wir hätten ein paar Bären am Straßenrand gesehen und ich wäre einfach stumpf dran vorbei gefahren. Da mein erster (echter) Bär nach
wie vor auf sich warten lässt wird das natürlich nicht passieren, aber ganz unrecht hat sie dennoch nicht - ich bin deutlich schwerer zu beeindrucken, als es noch vor 2-3 Jahren der Fall war. Die
„schönen Aussichten“ sind mir mittlerweile ziemlich gleichgültig, nicht jedoch das Gesamtpaket, was dahinter steckt: Spontanität, Simplizität, Freiheit, Herausforderungen, Abenteuer.
Es ist mal wieder soweit, dass ich meine Blogeinträge mit „Jetzt hab ich schon wieder einen Monat nichts von mir hören lassen“
beginnen muss. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Arbeit. Seit Monatsanfang bin ich professioneller Früchteschubser in einer Verpackungshalle im schönen Osoyoos. Auf der Suche nach Arbeit hatte
ich zunächst sämtliche Weingüter zwischen Oliver und Osoyoos abgeklappert - und das sind so einige. Ich hab derartig mit Lebensläufen um mich geworfen, ich hätte auch „Kamelle“ dabei rufen
können. Bei den meisten Weingütern war allerdings tote Hose, und ich schaute mich bei „Work BC“, den regionalen Arbeitsvermittlungsbehördenstellen (hoffentlich passt das Wort in die Zeile) nach
Alternativen um. Dort hörte ich schließlich zum ersten mal vom hiesigen Unternehmen, wo ich nach einem Bad im See kurzerhand vorbeifuhr und in die Halle hineinspazierte.
Die Couch, auf der ich aufwache ist bereits ordentlich durchgesessen. Wo bin ich hier denn? Ein Kühlschrank, ein Billardtisch, eine Wand voller Fotos und zwei Mädels, die mich etwas perplex anschauen machen klar: oh, ich bin in Kanada! Offensichtlich hatte ich mich bereits im Samesun Hostel in Vancouver eingecheckt, aber die Reisetabletten bescherten mir einen deftigen Filmriss. In meiner rechten Hand vergraben finde ich einen Schlüssel mit der Nummer 114, der mich zu meinem Zimmer und meinem übrigen Gepäck führt. Mein Handy und meinen Reisepass kann ich nirgends finden, aber irgendjemand hat die Sachen wohl netterweise unten an der Rezeption abgegeben. Glück gehabt! Ich gehe spontan zur Straße hinaus und denke im ersten Moment, ich wäre in einer Art Miniaturversion von Melbourne gelandet. Es ist genauso warm wie in den Wochen zuvor auf Hawaii, überall gibt es offene Cafes und selbstgemalte Werbeschilder, an der nächsten Ecke versucht sich ein Straßenkünstler im Beatboxen. Es herrscht geschäftiges Treiben auf den breiten Bürgersteigen und die Haare vieler Passanten sind ebenso rasterförmig angelegt wie die Straßen der Innenstadt selbst, ein ständiger Marihuanageruch liegt in der Luft und in der Ferne sind mehrere Sirenen zu hören, die nur vom lauten Lachen einer Gruppe Asiaten übertönt werden. Am Horizont ist das Meer zu sehen, über dem wegen der nahen Waldbrände dichte Rauchschwaden schweben und den Abendhimmel rötlich färben. Hallo Vancouver, hallo Kanada!
Eine lange Busfahrt und ein Marsch durch eine Golfanlage sind nötig, um zum Startpunkt des berüchtigten Hikes der Insel zu kommen: dem Olomana Track. Irgendein Spaßvogel hatte wohl einen Edding dabei und ihn in „Yolomana track“ umgetauft. Ich grinste und begann, meine 3 Liter Wasser den feuchten Urwaldpfad hinauf zu schleppen. Es war bereits 14:30 Uhr - eigentlich wollte ich erst am nächsten Tag hier her, musste jedoch einen Termin umlegen und hatte mich spontan noch alleine auf den Weg gemacht. Der Pfad wurde steiler und die Vegetation spärlicher. Immer öfter hing ein Seil an den Felsen um den Aufstieg zu erleichtern. Nass geschwitzt erreichte ich schließlich den ersten der drei Gipfel, wo ich eine Hawaiianerin kennenlernte. Ein Duft von Marihuyoloana lag in der Luft und sie plapperte fröhlich drauf los. Wir quatschten uns ein wenig fest, und irgendwann fand ich mich in einer Gruppe aus 10 Einheimischen wieder. Sie warnten mich vor den letzten beiden Gipfeln und schließlich machten sich alle bis auf zwei Jungs wieder auf den Rückweg. Zu dritt wagten wir uns an den Abstieg auf der anderen Seite, und 20 Minuten später waren wir auch schon auf dem zweiten Gipfel. Na also, kein Problem!
Aloha! Drei Wochen ist es nun schon her, dass Julius mir am Flughafen von Honolulu eine Blümchenkette um den Hals geschmissen hat. Meine Halbzeit auf Hawaii und Zeit, mal wieder was von mir hören zu lassen. Das klingt aber auch einfacher als es ist, denn bei der entspannten Mentalität der Insel muss man sich immer aufraffen, überhaupt mal irgendetwas zu tun! Ich wohne mit Julius und seiner kanadischen Freundin Hayley in einer gemütlichen Cottage in der Lakimau Street in Waikiki und teile mir ein Zimmer mit 5 Surfbrettern. Alle Fenster sind Tag und Nacht weit geöffnet, um ein wenig Luftzug bei den konstanten 28-30 Grad zu haben. Man hört die Palmen im Wind rascheln, wenn sich nicht gerade der Eiswagen durch die Nachbarschaft bimmelt. Ein Mückengitter schützt erfolglos vor dem Eindringen gigantischer Kakerlaken, aber Mosquitos oder andere Tiere, die einen Stechen oder auf irgendeine Art und Weise zum Ableben animieren wollen gibt es hier nicht. Das ist neben den ganzjährig optimalen Temperaturen wohl einer der Gründe, weshalb der 50. Staat von Amerika so beliebt und damit auch teuer ist. Hawaii ist der teuerste Ort, an dem ich je gewesen bin - und dabei war ich gerade erst in Island und New York. Aber es ist auch einfach ein genialer Ort zum Leben. Fast jeder hier ist braun gebrannt und sportlich, gut gelaunt und entspannt. Das Leben spielt sich draußen ab, und mit dem Paradies vor der Haustür lässt sich das ganz gut aushalten. In den ersten Tagen bin ich aber so richtig hier versackt. Ich hatte mir im Flieger eine Mandelentzündung geholt, und nach all der Action in Island und New York tat mir das Nichtstun ganz gut. Außerdem bin ich nicht hier, um im Schnelldurchlauf die touristischen Highlights abzuklappern. Nein, ich will hier temporär „wohnen“ und das Lebensgefühl von Hawaii aufsaugen! Und Faulenzen ist dabei doch ein wesentlicher Bestandteil…
Das erste, was ich von der amerikanischen Zivilisation zu Gesicht bekomme ist natürlich die amerikanische Flagge mit ihren 50 weißen Sternen, welche sich auf dem 15 Meter langen, weißen Flügel
des ansonsten pinkfarbenen Flugzeugs spiegeln, das als eines von nur 5 Flugzeugen der isländischen Billigairline WOW-Air den Namen „Dad“ trägt und nach 4124 Kilometern Flug über den Atlantik,
Grönland, noch mehr von diesem Atlantik und Kanada unerwartet sicher in Boston gelandet ist und den 314 Millionen Amerikanern einen 27-jährigen Deutschen ausliefert, der gerne mal viel zu lange
Sätze mit unnötigen Zahlen darin schreibt und nichtmal damit aufhört wenn er merkt, dass die Sätze zu lang werden, denn warum sollte er auch, es kann ihm ja keiner verbieten und am Ende macht er
doch sowieso was er will, mit seinen Sätzen, seiner Zeit, seinem Leben.
Hinter einer Kuppe offenbart sich das mächtige Tal bei Thingvellir, unweit der Hauptstadt Islands. Ganze 3 Häuser trotzen mit ihren knallbunten Dächern der unwirklichen, kargen Weite der Gebirgskette und spiegeln sich in dem kleinen See, der ihnen zu Füßen liegt. Die belgische Praline auf dem Beifahrersitz versucht, das Bild mit ihrer Kamera einzufangen, als unser kleiner Chevrolet nach einer Bodenwelle mal wieder ordentlich ins Schwanken kommt und das Objektiv ihrer Kamera an die Windschutzscheibe schlägt. Klonk. „Aua!“ Vielleicht sollte ich mich ja doch halbwegs ans Tempolimit halten. Mit breitem Grinsen im Gesicht ich lasse ich das Fenster ein Stückchen runter und halte meine Nase in den kalten Wind.
Holidro, Freunde des Erdapfels! Schon morgen beginnt mein zweites großes Abenteuer und ich habe das Projekt Reisefloh gestartet, um euch auf dem Laufenden zu halten. Eine eigene Domain ist einfach unabhängiger und bietet viel mehr Möglichkeiten. Flownunder bleibt nach wie vor online, aber ihr findet die Einträge meiner ersten Reise nun auch hier im Archiv. Schaut euch einfach mal um, das Meiste erklärt sich eigentlich von selbst. Je nachdem wie der Blog besucht wird, werde ihn in Zukunft noch erweitern und neue Funktionen ergänzen.